bos pastrnak zacha

Vom 1. August an nimmt NHL.com/de in der Serie 32-in-32 täglich ein Team der Liga mit Blick auf die Saison 2024/25 unter die Lupe. Die zweiteilige Bestandsaufnahme besteht aus einer Analyse und einem Beitrag mit drei zentralen Fragen, mit denen sich die Mannschaften auseinandersetzen müssen.

In dieser Ausgabe: Drei Fragen bei den Boston Bruins

1. Wie gut passt Marco Sturm zu den Boston Bruins?

Marco Sturm ist nicht nur der erste Deutsche Cheftrainer in der NHL, sondern auch erst der vierte Europäer. Es zeigt, wie schwer es ist, in diesen elitären Kreis vorzudringen. Der 46-Jährige aus Dingolfing meisterte das mit viel Geduld: Startschuss für den steilen Aufstieg war sein Job als deutscher Nationaltrainer. Bei den Olympischen Spielen 2018 holte Deutschland mit Sturm hinter der Bande sensationell die Silbermedaille. Danach arbeitete er sieben Jahre in der Organisation der Los Angeles Kings, zunächst vier Jahre als Assistenztrainer in der NHL, danach drei Jahre als Headcoach beim Farmteam Ontario Reign in der AHL. Beinahe gelang schon 2024 ein Engagement als NHL-Cheftrainer bei den San Jose Sharks, ein Jahr später war es dann soweit: Sturm überzeugte die Bruins, für die er schon als aktiver NHL-Spieler die Schlittschuhe geschnürt hatte. Doch nicht nur deshalb gilt Sturm als vielversprechende Verpflichtung.

Ähnliches: Stimmen zur Sturm-Verpflichtung in Boston

Sowohl bei der DEB-Auswahl als auch später bei den Kings und Reign wählte Sturm einen eher defensiven Ansatz. Bausteine seines Systems sind zuverlässiges Puck-Management, eine strukturierte, eng-gestaffelte und körperlich präsente Defensive sowie bedingungslos harte Arbeit in beide Richtungen. Seine Mannschaften sollten nur schwer zu knacken sein. Ein Schlüssel könnte das in Los Angeles praktizierte 1-3-1-System gegen den Puck sein. Hier wird der Gegner an die Banden gezwungen und dort aufgerieben. Das gegnerische Tempo soll schon in der neutralen Zone ausgebremst werden. Chancen werden dadurch früh limitiert und Schüsse nur außerhalb der gefährlichen Bereiche abgegeben werden. Dies mag vielleicht nicht der kurzweiligste oder spektakulärste Stil sein, doch genau dieser dürfte perfekt zu Boston passen, das seit Jahren den Fokus insbesondere auf die Defensive legt und dort über große, schwere und physisch starke Verteidiger verfügt.

Diese Kompatibilität sollte Sturms (Wieder-)Einstieg an alter Wirkungsstätte zusätzlich erleichtern, allerdings ist der Druck bei den Bruins groß und die Geduld eher spärlich vorhanden. Boston gilt als „Champions City“, Erfolg steht in allen Sportarten über allem. Das Original-Six-Team aber befindet sich in einem soften Rebuild unter rollendem Rad. Der neue Headcoach wird nach kurzer Eingewöhnungszeit liefern müssen und mit seinem Team um die Playoffs mitspielen.

2. Wer sorgt außer Pastrnak für Torgefahr?

Mit David Pastrnak verfügen die Bruins über einen brandgefährlichen Scharfschützen. 43 Tore markierte der 29-jährige Tscheche in der Vorsaison. In fünf der letzten sechs Jahre knackte er die Marke von 40 Saisontreffern, drei Jahre in Folge durchbrach er die Schallmauer von 100 Scorerpunkten.

BOS@NJD: Geekie trifft nach Pass von Pastrnak, was für Letzteren den 100. Scorerpunkt bedeutet

Allerdings stand Pastrnak mit dieser Produktivität zuletzt relativ alleine da. Nur er und Morgan Geekie (33-24-57) kamen in der Vorsaison 2024/25 auf über 50 Punkte. Boston hat also ein großes Problem in Sachen Scoring - sowohl in der Spitze als auch in der Tiefe.

Seit dem Karriereende der beiden Center Patrice Bergeron und David Krejci nach der Saison 2022/23 suchen die Bruins händeringend nach adäquatem Ersatz. Aus dem aktuellen Kader schafften weder Elias Lindholm noch Pavel Zacha, als Nummer-1-Mittelstürmer herauszustechen. Die Hoffnungen ruhen nun auf Neuzugang Casey Mittelstadt, der von seinem Eishockey-Stil auf dem ersten Blick eher nicht so gut nach Boston passt. Hinzu kommt der Abgang von Brad Marchand zur NHL Trade Deadline 2025. Kaum Torgefahr strahlt die blaue Linie aus, die mit 106 Verteidiger-Toren und 130 -Punkten jeweils ligaweit den zweitschlechtesten Wert hatte.

Die von GM Don Sweeney an Land gezogenen Neuzugänge bringen eher Härte und Kampfgeist als Scoring Touch mit. Trainer Sturm wird die Baustelle Scoring also über das Kollektiv lösen müssen.

3. Wie gesund bleibt die Verteidigung?

Ein schwerer Schlag für die Bruins war in der Vorsaison die langfristigen Ausfälle der beiden Top-Verteidiger Charlie McAvoy (Schulterverletzung) und Hampus Lindholm (Patellasehnenriss). Diese fehlten Boston sowohl in der Defensive als auch in der Offensive und bedeuteten eine erhebliche Schwächung.

Das Verletzungspech in diesem Mannschaftsteil schien überhaupt wie ein Fluch auf den Bruins zu liegen: Kein einziger Abwehrspieler kam auf die vollen 82 Spiele. Insgesamt wurden zwölf (!) verschiedene Verteidiger eingesetzt. McAvoy (50 Spiele) und Lindholm (17 Spiele) fielen lange aus. Nikita Zadorov (81 Spiele), Mason Lohrei (77) und Andrew Peeke (76) waren noch die Dauerbrenner. Entsprechend mussten Parker Wotherspoon (55 Spiele), Jordan Oesterle (22 Spiele), Henri Jokiharju (18 Spiele), Michael Callahan (17 Spiele) oder Ian Mitchell (15 Spiele) mehr Verantwortung schultern.

Fehlende Konstanz und Qualität in der Abwehr waren ein Hauptrund für die enttäuschende Saison von Boston. Nur wenn die (Top)-Verteidiger fit bleiben, lässt sich das defensiv-ausgerichtete System auch auf dem Eis umsetzen.

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