Germany v Latvia: Group A - 2025 IIHF World Junior Championship

Carlos Händel ist einer von vier deutschen Talenten, die beim NHL Draft 2025 ausgewählt wurden. Der 18-jährige Offensivverteidiger landete in der 6. Runde an insgesamt 177. Stelle bei den Montreal Canadiens. Im exklusiven Interview mit NHL.com/de sprach der gebürtige Erlanger über seine Ankunft bei einem Original-Six-Team, das lange Warten am Draft-Tag und die derzeitige Suche nach Eis.

Von der „Grünen Hölle” in den „Hangar“

Erst seit März dieses Jahres ist Händel volljährig. Hinter ihm liegt aber schon jetzt eine beeindruckende Laufbahn.

Alles fing an im alt-ehrwürdigen Eisstadion im mittelfränkischen Höchstadt an der Aisch, Baujahr 1978, die „Grüne Hölle“, wie die Heimat des Drittligisten Höchstadt Alligators auch genannt wird. Ein Spitzname, der Hitze suggeriert, dabei fühlt es sich in der an den Seiten offenen 2000-Zuschauer-Arena zumeist an wie in einem Gefrierschrank.

„Ich wohne nur fünf Minuten von der Halle entfernt“, sagt Händel. „Eishockey ist in der Stadt der größere Sport als Fußball. Als Kind habe ich mit meinem Vater, meiner Mutter und meinem Opa immer die Spiele angeschaut. Mit fünf Jahren bin ich zur Laufschule gegangen. Alles fing mit Schlittschuhen an, dann kam die Ausrüstung hinzu, dann habe ich für die U10 gespielt.“

Händels Talent wurde früh erkannt. Bei seiner Hockey-Ausbildung ging es über den EHC 80 Nürnberg zu den Jungadlern Mannheim und bereits im Alter von 15 Jahren nach Schweden, wo er die Schlittschuhe in der U16 des Frölunda HC sowie ein Jahr später in der U18 und U20 der Malmö Redhawks schnürte.

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„Alles passierte, weil es so sein sollte“, blickt Händel zurück. „Die Zeit in Schweden war sehr gut. In Frölunda war es nicht optimal, weil ich erst unter der Saison dorthin gewechselt bin und bei null starten musste. In Malmö durfte ich viel mit der U20 trainieren und habe brutal viel gearbeitet.“

Für die Saison 2024/25 wagte der 1,85 Meter große Rechtsschütze den Sprung nach Nordamerika und schloss sich den Halifax Mooseheads in der kanadischen Juniorenliga QMJHL an. Für Händel bedeutete das eine Umstellung in Sachen Kultur, Sprache und Spielstätte: 11.100 Plätze fasst das Scotiabank Center in Downtown Halifax, der auch „Hangar“ genannt wird.

„Das Leben dort ist ein bisschen anders, fast schon ein wenig langweilig im Vergleich zu Schweden und Deutschland“, erzählt Händel. „Die Anpassung an die Eisfläche hat ein bisschen gedauert. Alles ist viel härter und schneller. Trotzdem hatten wir die besten Fans der Liga Jedes Spiel hat super viel Spaß gemacht. Es waren immer sieben- bis achttausend Fans da. Die Auswärtsfahrten waren nicht so weit wie beispielsweise in der WHL, wir sind auch oft geflogen. Es war eine tolle Erfahrung, so oft zu spielen, auch unter der Woche.“

Ein mobiler Puckmover

Alleine in der regulären Saison spulte Händel 52 Spiele (3-23-26) ab, hinzu kamen zehn weitere Auftritte in den Playoffs (1-3-4). Der Franke fiel dabei als mobiler Blueliner mit starkem Passspiel auf.

„Ich denke, dass mein Aufbau- und Passspiel zu meinen Stärken zählen. Ich möchte Ruhe ins Spiel bringen, nicht hektisch agieren und gute Entscheidungen an der blauen Linie treffen“, beschreibt Händel seinen Stil. „In Kanada bin ich auch in der Defensive besser geworden, denn hier wird das Hockey nicht so offensiv interpretiert wie in Schweden. Es reicht nicht, nur gut in der Offensive zu sein, du musst hier auch verteidigen können.“

Seine Qualitäten brachte der Junioren-Nationalspieler auch bei der U18- (vier Spiele, 2-2-4) und U20-Weltmeisterschaft (fünf Spiele, 0-0-0) ein. Bei der U18-WM führte er Deutschland sogar als Kapitän aufs Eis.

„Cale Makar, Quinn Hughes und natürlich Moritz Seider“, zählt Händel als Spieler auf, zu denen er aufschaut.

Canada v Germany: Group A - 2025 IIHF World Junior Championship

Montreal: Erst verpeilt, dann zugeschnappt

Dieses Komplettpaket machte ihn für den NHL Draft 2025 interessant. „Über die gesamte Saison habe ich mit 20 verschiedenen Teams gesprochen, vor allem mit den Edmonton Oilers und Florida Panthers“, verrät Händel. Viele Kontakte wurden beim NHL Draft Combine geknüpft, die Canadiens waren kurioserweise nicht dabei. „Sie hatten damals irgendwie etwas verpeilt, haben mich aber später noch einmal angerufen“, lacht Händel. „Ich war ganz froh, dass ich beim Combine nicht von ihnen interviewt wurde, denn ich war mit einem Weißrussen auf dem Zimmer, der mir gesagt hat, dass das Gespräch mit ihnen am schlimmsten war und viele komische Fragen gestellt wurden. Mein Telefonat mit ihnen war aber völlig okay mit ganz normalen Fragen.“

Und offensichtlich überzeugend, denn Montreal sicherte sich Händel in der 6. Runde an 177. Stelle.

„Beim Draft war ich daheim mit meinen Eltern. Zunächst war ich ein wenig enttäuscht, denn ich dachte eigentlich, dass ich früher, vielleicht in der zweiten, dritten oder spätestens vierten Runde gezogen werde. Als Montreal angerufen hat, war ich froh und stolz. Erstmal ist es nur wichtig, dass man überhaupt gedraftet wird.“

Spannende Stadt mit einer professionellen Organisation

Nun ist es sogar ein Traditionsklub und Original-Six-Team mit einer begeisterten Fanbase und der größten NHL-Arena (Bell Centre; 21.105 Zuschauer) geworden.

„Montreal ist schon top. Die Halle ist riesengroß, die Fans sind brutal gut und interagieren mit dem Team. Es ist wie eine große Familie“, schwärmt Händel. „Alles hört sich wirklich gut an, ich bin sehr glücklich damit.“

United States v Germany: Group A - 2025 IIHF World Junior Championship

Hautnah konnte er die Stadt und den Klub im Prospects Camp vor zwei Wochen erleben, bei dem er sich vor Ort bei den Canadiens vorstellte.

„Es waren nur fünf Tage, in denen es darum ging, die Organisation kennenzulernen. Wir haben gar nicht so viel auf dem Eis gemacht und hatten nur zwei Einheiten. Erst war es spezifisches Verteidiger-Training mit Zweikämpfen gegen die Stürmer. Tags darauf haben wir 4-gegen-4 gespielt. Alles war super professionell: Überall waren Köche, Equipment Manager, Physios, Athletiktrainer und viele Zuschauer, die ein Foto mit einem machen wollten, wenn man aus der Halle kommt“, so Händel. „Montreal ist eine lebendige Stadt, sehr spannend, es erinnert mich ein wenig an Europa.“

Auf der Suche nach Eis und deutschsprachigen Mitspielern

Dort befindet sich Händel auch aktuell. Das Talent ist auf der Suche nach Eis und fand es in Köln und Straubing sowie bei der anstehenden U20-Maßnahme in Kassel. Hinzu kommt Athletiktraining in Nürnberg, wo während dieses Interviews gerade ein Kaffee eingenommen wird. Im August geht es nach Halifax, im September nach Montreal in die Trainingcamps, wo das deutsche Talent fit und erholt aufschlagen soll.

„Ich muss noch ein wenig zunehmen und habe schon fünf Kilo draufpacken können. In Halifax soll ich eine noch größere Führungsrolle übernehmen. Die Canadiens haben mir mit auf den Weg gegeben, dass ich einfach weiterarbeiten und nicht zu weit in die Zukunft sehen soll.“

In dieser wird in Montreal so viel deutsch gesprochen wie vielleicht noch nie: Mit Verteidiger David Reinbacher (20, Draft 2023, 1. Runde, 5. Stelle) und Stürmer Vinzenz Rohrer (20, Draft 2022, 3. Runde, 75. Stelle) stellen sich im Rookie-Camp auch zwei Österreicher vor.

„Ich bin gespannt und möchte David und Vinzenz unbedingt kennenlernen“, sagt Händel. „Es wäre schön, wenn man dort mal ein bisschen Deutsch sprechen kann.“

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